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Chancen der digitalen Bildung – Interview mit Prof. Dr. Niels Pinkwart, DFKI Berlin

| Lernen & Bildung | Lernende Systeme | Mensch Maschine Interaktion | Educational Technology Lab | Berlin

Digitale Bildung erlebt durch Covid-19 einen Boom. In diesem Interview spricht Prof. Dr. Niels Pinkwart über die Chancen von Künstlicher Intelligenz für digitale Bildung und stellt zukunftsweisende Projekte für inklusives und personalisiertes Lernen vor.

Wenn ihr Nachbar Sie fragt, was Sie beruflich machen, was antworten Sie ihm?

Dann antworte ich, dass ich beruflich an einer sehr spannenden Schnittstelle tätig bin – nämlich der zwischen Digitalisierung und Bildung. Hier erforsche ich in verschiedensten Kontexten, welche Lösungsmöglichkeiten KI für bestimmte Lern- und Bildungsprozesse bieten kann.

 

Digitale Bildung ist seit ja schon seit einiger Zeit bekannt. Wie kann Künstliche Intelligenz dabei helfen?

Digitalisierung und Bildung haben eine lange Tradition in verschiedenen, miteinander verbundenen Facetten. Einerseits gibt es zum Beispiel Wissen über Digitales, was man als Informatikbildung verstehen könnte. Andererseits gibt es Wissen über KI, das zunehmend wichtiger wird, da KI in verschiedenen Erscheinungsformen immer mehr in unser Leben tritt und wir als Menschen auch verstehen müssen, was KI für uns und mit uns macht. Man kann also KI als Bildungsinhalt verstehen. Man kann aber auch KI-Verfahren als Bildungsmedien verstehen. Wir haben durch den Einsatz von KI-Verfahren in der Bildung die Chance, Lernszenarien viel effizienter zu gestalten, und z.B. auf die Vorlieben und Vorkenntnisse einer einzelnen Person einzugehen. So lassen sich ganz neue Arten von Interfaces nutzen, die tatsächlich Dinge wie Stress beim Lernen oder Emotionen mit abdecken und so insgesamt Lernergebnisse- und Lernerfahrungen viel erlebbarer machen.

 

Zum Aspekt der Lehre über KI: Das DFKI ist am Pilotvorhaben KI-Campus des Bundesministeriums für Bildung und Forschung beteiligt. Welche ist Ihre persönliche Rolle und die des Educational Technology Labs (EdTec) darin?

KI-Campus ist ein Projekt, an dem neben EdTec auch andere Institutionen und mehrere DFKI Forschungsbereiche beteiligt sind. Kurz nachdem ich meine Arbeit hier aufgenommen habe, habe ich die Aufgaben des wissenschaftlichen Leiters des KI-Campus-Projekts übernommen. Das EdTec Lab ist in zwei Funktionen beim KI-Campus-Projekt beteiligt: Zum einen konzipiert unser Lab einen Kurs zu KI und Leadership, der demnächst produziert und zur Verfügung gestellt wird. Zum anderen zeigt sich hier die Dualität zwischen Bildungsinhalt und Bildungsmedium, denn wir forschen daran, wie KI in der Interaktion mit dem Nutzer einen Mehrwert bieten kann. Beispielsweise können Anwender sich mit einem Chatbot unterhalten. Im Laufe des Dialogs kann man ausdrücken, was eigentlich der Bildungsbedarf ist und bekommt einen personalisierten Kurs, der sich aus ganz verschiedenen Elementen zusammensetzt. Dazu zählen auf der Plattform gehostete Kurse und vielleicht auch externe Bildungsressourcen.

 

Ein weiteres Projekt am EdTec Lab ist KI.ASSIST. Können Sie kurz umreißen, was dessen Zielstellung ist?

KI.ASSIST ist ein spannendes Projekt und deckt einen anderen, sehr wichtigen, Aspekt ab: Inklusion. Je mehr wir Bildungsszenarien digitalisieren, desto wichtiger die tatsächliche Einbeziehung aller Menschen mit all ihren Eigenschaften, auch möglichen Behinderungen. Es ist wichtig, Lernsysteme so zu designen, dass sie explizit niemanden ausschließen und dass insbesondere Fähigkeiten von KI zur Bereitstellung digitaler Assistenzdienste genutzt werden.

Einfache KI-gestützte Technologien werden bereits zur Unterstützung sehbehinderter Menschen eingesetzt, beispielsweise durch Vorlesefunktionen und Spracherkennung. Im Projekt KI.ASSIST versuchen wir zunächst, etablierte Assistenzsysteme für Menschen mit Behinderung zu sammeln und mögliche Anwendungsszenarien für die berufliche Rehabilitation zu entwickeln.

Wir schauen uns an, wie KI-gestützte Systeme von Menschen mit und ohne Behinderung genutzt werden können. Im nächsten Schritt wollen wir Lernexperimentierräume in Partnereinrichtungen und -Werkstätten etablieren und schauen, wie wir Transformationsprozesse anstoßen können.

 

Die Corona-Krise hat offenbar einen ungeplanten Boom der digitalen Bildung ausgelöst. Wie schätzen Sie diese Entwicklung ein? Glauben Sie, dass sie nachhaltig sein wird?

Mein Team hatte die Idee, kurzfristig ein Webinar aufzusetzen, um Berliner Lehrkräften Grundlagen des Online-Unterrichts zu vermitteln. Durch die Unterstützung des Berliner Senats konnten wir innerhalb von zwei Tagen über 2.000 Anmeldungen verzeichnen. 95% der Teilnehmenden hatten vorher noch nie oder sehr selten mit digitalen Medien in der Schule gearbeitet. Es gibt jetzt eine große Nachfrage, denn an vielen Schulen behalf man sich anfangs mit Notlösungen, scannte Arbeitsblätter und schickte sie per E-Mail an die Schüler. Das ist natürlich gewissermaßen das Gegenmodell zu KI-gestützter Lehre, bei der jeder Lernende personalisiertes Feedback zu seinen Aufgaben bekommt.

Aber in der Praxis wird das noch ein langer Weg sein. Sehr viele Lehrende haben sich jetzt notgedrungen aufgemacht und sagen nun: Wir finden jetzt mal heraus, wie man mit digitalen Werkzeugen Unterricht gestalten kann. Das passiert in Schulen, aber auch in Hochschulen. Wir haben in Abfragen der Humboldt-Universität gesehen, dass in dieser Situation geschätzt 90% der Kurse digital durchführbar sind. Das Momentum, das jetzt da ist, die erzwungene Mitnahme aller, hat ein riesiges Potenzial für Veränderung. Die Lehrkräfte, die am Webinar teilgenommen haben, fanden die Einblicke sehr spannend und bestätigten, dass die Technologien auch später bestimmt genutzt würden. An Hochschulen wird das sicherlich ähnlich sein.

Wenn nun eine Folge der Corona-Krise ein höheres Verbreitungs- und Akzeptanzniveau dieser Technologien ist, werden die nächsten Schritte Personalisierung, automatische Empfehlungen zum nächsten Lernschritt, etc. sein. KI bietet dann Zusatzfunktionen, die das Leben einfacher und das Lernen noch ein Stück angenehmer und effizienter machen kann. Die Hürde wird geringer sein, weil die Lehrkräfte an Schulen und Hochschulen bestimmt nicht sofort wieder alles wegstellen werden, wenn sie positive Erfahrungen gemacht haben. Hier wollen wir als EdTec Lab natürlich sehr gerne dabei sein, beratend und als Partner für Bildungsträger in Forschungs- und Industrieprojekten.

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